Barrierefreie Gestaltung von Querungsanlagen an Ortsdurchfahrten von Bundesfernstraßen

Angerampte Querungsanlage und Einsatz visueller Kontraste

Ziel des Forschungsvorhabens war es, kostengünstige barrierefreie Querungsanlagen für mobilitätseingeschränkte Menschen zu entwickeln und gleichzeitig die Bedürfnisse des Radverkehrs zu berücksichtigen. Außerdem waren Einsatzempfehlungen für unterschiedliche Bauformen zu geben. Dabei galt es zu beachten, dass unterschiedliche Mobilitätseinschränkungen auch unterschiedliche Ansprüche an die Gestaltung von Bordsteinkanten bedeuten. Während beispielsweise Rollstuhlnutzende eine Nullabsenkung bevorzugen, ist es für blinde Menschen, die einen Langstock nutzen, von Vorteil, wenn eine deutlich ertastbare Bordsteinkante vorhanden ist.

Um die gesteckten Ziele zu erreichen wurden zunächst nationale Regelwerke und Forschungsberichte sowie Ausführungsformen von Querungsanlagen im Ausland betrachtet. Anschließend wurden Straßenbaulastträger in Deutschland befragt, welche barrierefreien Bauformen sie bislang umsetzen und welche Gründe sie für die Wahl einer bestimmten Bauform bewogen haben. Um Akzeptanz, Nutzbarkeit und mögliche Schwierigkeiten bzw. kritische Situationen an unterschiedlich gestalteten Überquerungsstellen bewerten zu können, wurden in mehreren deutschen Städten Videobeobachtungen an existierenden Querungsanlagen durchgeführt. In Workshops wurden dann gemeinsam mit mobilitätseingeschränkten Menschen fünf Varianten einer neuen Bauform von barrierefreien Querungsanlagen entwickelt und dann auf einer Versuchsstrecke in den Werkhallen der STUVA auf Praxistauglichkeit getestet. Im Ergebnis konnten Parameter für eine barrierefreien Querungsanlage als Anrampung ohne Bordkante entwickelt und für unterschiedliche Bauformen Empfehlungen für Modifikationen und die Einsatzbereiche abgegeben werden.

Die Versuche zeigten deutlich, dass zukünftig Anrampungen als Teil einer Querungsanlage eine Neigung von in der Regel maximal 10 Prozent haben sollten, damit für blinde Menschen ein deutlich wahrnehmbarer Neigungswechsel entsteht, die Anrampung für Menschen mit Rollstuhl und Rollator aber noch selbstständig bewältigt werden kann. Die Tiefe in Gehrichtung sollte 100 cm betragen. Außerdem sollte eine Anrampung mit visuell und taktil kontrastierenden Bodenindikatoren belegt sein und ein Richtungsfeld mit Rippenstruktur in Hauptgehrichtung (in der Form eines Richtungsfeldes gemäß DIN 32984) aufweisen. Wichtig ist, dass die Richtung der Neigung der Anrampung und die Verlegerichtung des Richtungsfeldes auf der Anrampung (Anzeige der Überquerungsrichtung) übereinstimmen muss, damit die Übequerungsrichtung durch blinde und sehbehinderte Menschen sicher bestimmt werden kann. Die angezeigte Überquerungsrichtung muss daher immer senkrecht zur Fahrbahnachse der zu überquerenden Fahrbahn liegen. Die Anlage innerhalb einer Eckausrundung scheidet daher aus.

 

Im zweiten Teil des Forschungsvorhabens wurde untersucht, wie gut wahrnehmbare Farbkontraste für Menschen mit Sehbehinderungen bei Querungsstellen umgesetzt werden können. Dafür wurden verschiedene Umsetzungsbeispiele für visuelle Kontraste im öffentlichen Verkehrsraum im Rahmen eines Workshops mit Interessenvertretern der relevanten Gruppen (Stadtgestaltung, Menschen mit Seheinschränkungen, Fachverwaltung) diskutiert und sowohl Einzelelemente als auch Stadträume betrachtet und bewertet. Anschließend wurden die folgenden grundsätzlichen Gestaltungshinweise bei der Umsetzung visueller Kontraste im öffentlichen Verkehrsraum abgeleitet:

Es sollte eine Übereinstimmung zwischen Bauform und Markierung (z. B. Kanten mit durchgängiger Längsmarkierung) bestehen und eine Übereinstimmung zwischen Farbgebung bei Flächen und Funktionszuordnung (Abgrenzung von Bewegungsräume gegenüber anderen Räumen) angestrebt werden. Eine Kennzeichnung von Flächen unterschiedlicher Funktion sollte besser flächenhaft (im Sinne einer Zonierung) statt als linienhafte Abgrenzung erfolgen. Der Erfahrungshorizont aus standardisierten Elementen oder Farbgebung (auch regionaltypisch) ist zu berücksichtigen. Beim Einsatz von Farben sollte bezüglich der Anzahl unterschiedlicher Farben eher zurückhaltend agiert werden. Kleinteilige Farbwechsel sind zu vermeiden. Gestalterische Elemente sollten bezüglich ihrer Funktionalität als Leitelement überprüft werden bzw. sollte in Bewegungsräumen die Funktionalität im Vordergrund stehen. Vor allem die Textur kann bei der Unterscheidbarkeit von Flächen unterschiedlicher Farbgebung auch bei nicht optimalen visuellen Kontrasten unterstützend wirken.

Verkehr & Umwelt
In den Versuchshallen der STUVA wurden verschiedene Ausformungen barrierefreier Querungsstellen von der Zielgruppe auf Herz und Nieren getestet.
Auftraggeber
Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (FE 02.0406/2016/KGB)
Partner
Fachhochschule Erfurt, Institut Verkehr und Raum
Leistungszeitraum
2018 bis 2023
Standort
Deutschland
Leistungen
  • Forschung & Entwicklung

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