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Schlussbericht: Wie kann Mobilität barrierefreier werden?

Reichen die bisherigen Gesetze und Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Mobilität aus oder bestehen Defizite und Optimierungsbedarf? Antworten auf diese Fragen hat die STUVA e. V. in Zusammenarbeit mit der KCW GmbH und Professor Matthias Knauff (Universität Jena) im Forschungsprojekt „ex-post Evaluierung gesetzlicher Regelungen und Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Mobilität“ (FE-Nr. 70.0898) im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) gesucht.

Barrierefreie und selbstbestimmte Mobilität für alle Menschen ist eine wesentliche gesellschaftspolitische Zielsetzung in Deutschland. Ausgehend von der Aufnahme des Benachteiligungsverbots in das Grundgesetz hat der Bund mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und den zugehörigen Änderungen von Fachgesetzen einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik vollzogen. Das BGG ist am 1. Mai 2002 in Kraft getreten. Im Vordergrund steht seitdem der Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, und nicht mehr – wie zuvor – die Fürsorge und Versorgung behinderter Menschen. Eine wesentliche Voraussetzung, um das genannte Ziel zu erreichen, ist eine möglichst weitreichende Zugänglichkeit und uneingeschränkte Nutzung aller Lebensbereiche für Menschen mit Behinderungen, aber auch für Personen mit anderen Mobilitätseinschränkungen wie z. B. Schwangeren, Menschen mit Kinderwagen oder schwerem Gepäck, Ortsunkundigen.

Inzwischen wurde das Behindertengleichstellungsrecht regelmäßig weiterentwickelt. Das BGG wurde mehrfach ergänzt und novelliert. Zudem wurden auch in Fachgesetzen Ergänzungen eingebracht und Novellierungen durchgeführt, die Aspekte der Barrierefreiheit betreffen. Beispielhaft sei hier das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) genannt, welches unter anderem eine „vollständige Barrierefreiheit“ zum Ziel erhob. Das Behindertengleichstellungsrecht wurde weiterhin durch neue Gesetze weiterentwickelt, beispielsweise das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).

Daneben erhalten zunehmend Europäische Rechtsnormen in Deutschland Bedeutung – von grundsätzlichen Regelungen bis hin zu Detailbestimmungen (z. B. bei Fahrgastrechten). Überdies ist Deutschland der „Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen“ (UN-BRK) beigetreten. Die Bundesregierung hat mit dem ersten und zweiten Nationalen Aktionsplan (NAP 1.0 und NAP 2.0) zur UN-BRK ein fortlaufendes Instrument zur praktischen Umsetzung der UN-BRK geschaffen.

Grund genug, eine Bilanz zu ziehen, um die Wirkung der bisherigen Regelungen zu analysieren sowie mögliche Defizite aufzudecken, um das Behindertengleichstellungsrecht für den Bereich Mobilität gegebenenfalls weiterentwickeln zu können.

Neben einer umfassenden Grundlagenanalyse des rechtlichen Rahmens auf Bundes- und Länderebene sowie der bisherigen Planungsinstrumente (z. B. Nahverkehrspläne, Programme der Eisenbahnen), wurde in einer Wirkungsanalyse untersucht, wie die praktische Umsetzung zur Herstellung der Barrierefreiheit gelingt. Dazu wurden unter anderem Fallstudien aus allen Mobilitätsbereichen – vom öffentlichen Verkehr auf Straße und Schiene über den motorisierten und nichtmotorisierten Individualverkehr bis hin zu Luft- und Schifffahrt – durchgeführt. Der Fokus in den Fallstudien lag dabei auf intermodalen Mobilitätsketten. Teil der Wirkungsanalyse waren darüber hinaus Interviews mit Landesbehindertenbeauftragten, Behindertenverbänden sowie verschiedenen Akteuren im Rahmen der Fallstudien.

Wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass es keine nennenswerten Lücken und keine gravierenden Mängel bei den rechtlichen Vorgaben zur barrierefreien Mobilität gibt. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass in einzelnen Punkten eine Nachschärfung einzelner Regelungen sinnvoll und geboten ist. In Workshops erarbeitete das Projektteam konkrete Handlungsempfehlungen, begleitet durch einen breit aufgestellten Projektbeirat und unter Einbeziehung externer Sachverständiger und von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen bzw. deren Vertretungen. Die insgesamt 89 Empfehlungen umfassen Hinweise an verschiedene Adressaten zur Verbesserung der Umsetzungspraxis, zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens sowie weitere Vorschläge („weiche Faktoren“) und wurden mit Dringlichkeiten hinterlegt.

Der Schlussbericht zum Forschungsvorhaben ist auf der Seite des Forschungsprogramm Stadtverkehr (FoPS) unter der Forschungsnummer FE 70.0898 herunterzuladen.

Hinweisschild auf einen Servicepunkt für mobilitätseingeschränkte Fluggäste am Flughafen
Verknüpfungspunkt zwischen Eisenbahn und ÖPNV mit Bodenindikator-basiertem Leitsystem (Foto: Eichmann/KCW)
Niveaugleicher Fahrgastwechsel und visuell kontrastierende Bodengestaltung auf einem Fährschiff
Dreirädriges Fahrrad in einer Abstellanlage an einer Stadtbahnhaltestelle
Großflächentaster zur Anforderung von Hilfe durch mobilitätseingeschränkte Personen im Straßentunnel
Ansprechpartner
Dr.-Ing. Dirk Boenke
STUVA e.V.
+49 221 59795-20
+49 221 59795-50